Sebastian engagiert sich für Bildungsgerechtigkeit
Sebastian hat mit seinen 22 Jahren bereits in Oxford und an der Hertie School studiert. Auslandsstudium, unbezahlte Praktika, überhaupt ein Abitur – das bleibt für viele Schüler:innen in Deutschland ein unerfüllter Traum. Um das zu ändern engagiert sich Sebastian für mehr Bildungsgerechtigkeit bei dem Verein Lern-Fair. Dieser wurde während der Anfänge der Pandemie als “Corona School” von Christopher Reiners gegründet.
„Lern-Fair war die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt und dann genau passend umgesetzt. Es war in dem Moment, wo die Lehrer:innen noch nicht Zoom-Unterricht machen konnten wegen Datenschutz oder anderen Gründen. Ab da an waren wir zumindest für manche Schüler:innen quasi das einzige Bildungsangebot.“
1. Von „Corona School“ zu Lern-Fair
Die Plattform Lern-Fair gründete sich als “Corona School” in den Anfängen der Pandemie, wo Online-Unterricht noch kaum umsetzbar war. Lern-Fair ist jedoch kein Schulersatz, sondern eine Lernhilfe. Das Ziel ist es Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten und Schüler:innen und Studierende zusammenzubringen. Die Studierenden geben dann meistens Nachhilfe in den Fächern, die sie studieren.
Sebastian sammelte bereits viel Erfahrung, sodass er bei Lern-Fair schnell viel Verantwortung bekam. Seit drei Monaten übernimmt er ehrenamtlich die koordinierende Rolle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und leitet das Marketing-Team. Es macht ihm viel Spaß in einem motivierten Team zu arbeiten.
© Sebastian Stöhr
Nachhilfe, aber kostenlos und online
Das Organisations-Team von Lern-Fair, das für die Webinhalte, das Backend, die Vermarktung, die Angebote und den Schüler:innen-Support zuständig ist, besteht aus ca. 80 Ehrenamtlichen. Sebastian lobt die Motivation der Engagierten, die wahnsinnig viel Zeit investieren, um Bildungsungerechtigkeit zu bekämpfen.
Durch ein Matching-System werden Studierende als Lernunterstützung mit Schüler:innen zusammengebracht. Die Nachhilfe ist online und kostenlos. Sie kann zu jeder Zeit von jedem Ort durchgeführt werden. Das sei eine sehr direkte Art für ein Engagement, meint Sebastian. Studierende investieren meist 1-2 Stunden die Woche für das digitale Ehrenamt. Außerdem gibt es noch Campus- und Schul-Reps (Representatives), die für stetige Neuzugänge werben. Bislang haben sich 23.000 Schüler:innen und 16.000 Studierende auf der Plattform registriert. Etwa 3.000 Matches sind aktiv. Aktuell werden besonders Studierende als Nachhilfelehrer:innen gesucht.
Sebastian kritisiert, dass in Deutschland zu wenige schlüssige Konzepte für die Bekämpfung von Bildungsgerechtigkeit bestehen. Lern-Fair sei eines der wenigen, das innerhalb kürzester Zeit aufgebaut und expandiert ist. Er meint, dass man keine Gesellschaft aufbauen könne, die sich dem neoliberalen Gedanken verschreibt, ohne Chancengleichheit a priori zu gewähren.
„Bildungsungerechtigkeit ist eines der wichtigsten Themen, die man in Deutschland bekämpfen muss. […] Wir sehen die Strukturen wie sie sind, auch wenn wir uns vielleicht andere wünschen und versuchen dann eine bestmögliche Response darauf zu entwickeln.“
Bildung in Zeiten von Corona
Die Corona-Pandemie hat die Bildungsungleichheit verschärft. Lehrende berichten bereits von deutlichen Lernrückständen. Besonders Kinder mit Migrationsgeschichte, Fluchterfahrung und aus ärmeren Familien sind betroffen. Sebastian meint, dass wir mit den Folgen dieser Unterrichtsausfälle als Gesellschaft noch lange zu kämpfen haben werden. Leider fehlen hier auch staatliche Investitionen.
„Wie bei den meisten NGOs wäre es natürlich das schönste, wenn wir nicht existieren müssten. Wenn der Staat Millionen von Euro dafür verwenden würde, das Problem zu bekämpfen. Aber solange springen wir gerne ein.“
Aus dieser Not heraus erstellten bonner Studierende im Mai 2020 die Plattform “Corona School”, Vorgängerin von Lern-Fair. Innerhalb weniger Monate explodierten die Nutzer:innenzahlen und die Plattform wurde immer weiter entwickelt. Im ersten Lockdown war der Hype um Lern-Fair groß.
Die Öffentlichkeitsarbeit machte sich quasi von alleine, berichtet Sebastian. Jetzt arbeitet er hart daran, diese Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten. Das sei zeitintensiv, aber mache auch Spaß.
Kostenlose Nachhilfe für Gerechtigkeit
Der Fokus von Lern-Fair liegt auf Menschen mit bildungsbenachteiligtem Background. Das wird jedoch nicht überprüft. Somit kann jede:r die Plattform nutzen. Die Nachhilfe passiert dann komplett online, manchmal auch über Whatsapp.
„Wir sind eine Plattform, die sich primär auf bildungsbenachteiligte Schüler:innen konzentriert. Dazu gehören ganz klar diejenigen, die es in der Pandemie am schwersten hatten. Menschen, deren Eltern vielleicht nicht Deutsch sprechen, oder keine Akademiker:innen sind oder einfach keine Zeit haben mit dem Kind Hausaufgaben zu machen.“
2. Jede:r Studierende kann helfen
Studierende können sich ganz einfach über die Plattform engagieren. Wichtig ist nur, dass die Person studiert und ein Screeningverfahren durchläuft. So will Lern-Fair die Sicherheit der Schüler:innen gewährleisten. Auch Hilfestellungen und allgemeine Tipps zu den Themen Bildung, Abitur, Studium und Finanzierung werden regelmäßig über die Plattform angeboten. Richtigen Unterricht wie in der Schule kann Lern-Fair jedoch nicht ersetzen. Das sehen die Engagierten realistisch! Was ihre Motivation, sich für eine bildungsgerechte Welt einzusetzen, aber nicht schmälert.
Bildungsangebote wie das von Lern-Fair sind für viele zugänglicher als teure Nachhilfe. Damit ist die Plattform Vorreiter beim Thema Digitalisierung im Bildungssektor. Sie behandelt Symptome einer Gesellschaft, deren Ungleichheit immer weiter steigt – sei es im Bildungs- oder im Finanzsektor. Oft gehen diese beiden Sektoren Hand in Hand. Kostenlose Online-Nachhilfe wird daher in Zukunft eine besonders wichtige Rolle spielen.
3. So kannst auch Du für Bildungsgerechtigkeit aktiv werden
Wir haben 3 Projekte für Dich rausgesucht, bei denen Du Dich jetzt online für mehr Bildungsgerechtigkeit einsetzen kannst:
Unterstütze und motiviere bildungsbenachteiligte Schüler:innen bei ihrem Bildungsweg.
Hilf geflüchteten Menschen dabei, ihren immer digitaler werdenden Alltag zu bewältigen.
Setze Dich für Mentees mit bildungsbenachteiligten Hintergrund bei ihrer Stipendienbewerbung ein.