Ferat Ali Kocaks Kampf gegen Faschismus

Published On: 14.12.2021|Kategorien: Online-Volunteering, Volunteers kennenlernen|7,4 min read|

Faschismus ist leider auch in Deutschland ein großes Thema. Der Albtraum eines jeden Antifaschisten wurde während der Pandemie wahr: Der Schulterschluss von Corona-Verschwörungsmystikern und Rechtsextremen. Spätestens in der Corona-Pandemie waren die starken antisemitischen Tendenzen der deutschen Gesellschaft – angefacht durch antisemitische Verschwörungsmythen – nicht mehr zu übersehen. Die Anzahl der Fälle von Menschen, die im Zusammenhang mit dem Coronavirus aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion, oder ihrer sexuellen Identität diskriminiert fühlten stiegen.

Ferat Ali Kocak aka. Der Neuköllner klärt auf den Sozialen Medien über Faschismus auf. Der politische Aktivist, der selbst einen rassistisch motivierten Anschlag überlebte, kämpft besonders gegen Faschismus, Rassismus und Antisemtismus – und das offline und online auf Instagram, Twitter und Co. Im Interview erzählt er uns von seiner Geschichte, seiner Motivation und seinen Zielen.

„Ich lebe für meinen Aktivismus und er ist ein Großteil meines Lebens. Wenn ich nicht schlafe oder esse, dann bin ich aktivistisch aktiv.“

1. Die Geburt des “Neuköllners”

Ferat Ali Kocak ist antirassistischer und antifaschistischer Aktivist in Berlin Neukölln. Auf Instagram ist er vor allem als “Der Neuköllner” bekannt. Seit kurzem ist er auch Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin für die Linke. Er ist in Berlin geboren und aufgewachsen und kämpft da, wo er sein ganzes Leben verbracht hat, für Veränderung und eine bessere Welt.

Menschen, die von Rassismus betroffen sind aufzuklären, was in ihrem Kiez, ihrem Umfeld und in Deutschland abgeht und was sie gemeinsam dagegen tun können – das ist Ferats selbst auferlegte Lebensaufgabe. Für ihn steht es im Mittelpunkt, vor allem verschiedene Kämpfe (z.B. Feminismus, Antirassismus und die Klimabewegung) zu verbinden. Wichtig ist für Ferat gemeinsame Schnittpunkte zu finden und Menschen zu mobilisieren, gemeinsam für eine solidarische Welt zu kämpfen.

“Menschen wollen auf Social Media nicht nur ernste Themen, sondern auch mal lachen können.”

Ferats Aktivismus auf Instagram funktioniert, indem er ernste Themen anspricht, sie zum Teil aber auch humorvoll rüberbringt – solange sie nie den politisch aktivistischen Aspekt verlieren. Er testet hier gerne die Gewässer und geht auch mal einen Schritt zu weit – “Aber das bin halt auch ich.” sagt der Aktivist. Dafür macht er Instagram-Lives mit anderen Aktivist:innen und Politiker:innen, organisiert Podiumsdiskussionen, teilt Informationen und Nachrichten und macht auch mal witzige Reels.

Seit der Kindheit politisiert

Ferats Familie hat ihn politisiert. Bereits in der Kindheit wurde er mitgenommen auf Erste Mai-Demos, in linke kurdische und türkische Vereine und Organisationen. So richtig eigenständig politisiert haben ihn jedoch die Anschläge in Mölln, Solingen und Rostock-Lichtenhagen. Diese Bilder haben sich bereits in seinen jungen Jahren fest in seinen Kopf eingebrannt. Mit 16 wurde er dann eigenständig politisch aktiv, indem er sich Gruppen anschloss, die sich gegen Rassismus, gegen Nazis und rechten Terror organisierten.

Es gab auch Zeiten in denen er sich nur auf seine Lohnarbeit konzentrierte. Ferat ist froh darüber, dass er auch diese Seite gesehen hat, aber entschied sich dann für seine Lebensaufgabe: Den Kampf für solidarische Veränderung.

Ferat steht auf einem Platz. Hinter ihm läuft eine Polizeistaffel vorbei. Ferat engagiert sich gegen Faschismus.

© Sebastian Stöhr

Nach dem Anschlag wurde ich noch aktiver gegen den Faschismus

2018 verübten Nazis einen Brandanschlag auf Ferat und seine Familie. Vor dem Anschlag wollte Ferat sich zunächst etwas aus dem Aktivismus zurückziehen. Danach wurde ihm jedoch klar, dass dies keine Option für ihn war. Im Gegenteil: Ferat wurde noch aktiver und fuhr seinen Aktivismus von 100% auf 500% hoch. Dies zeigt sich mittlerweile leider auch gesundheitlich, so der Aktivist.

Bis zu dem Anschlag habe er gar nicht wahrgenommen, dass er so stark im Visier von Nazis war. Es habe immer mal wieder komische Kommentare auf Social Media gegeben, jedoch waren seine Accounts in der Zeit noch eher privat als politisch. Nach dem Anschlag kam heraus, dass die Sicherheitsbehörden wussten, dass er über Monate hinweg von Nazis ausgespäht wurde, ihn aber nicht gewarnt hatten. Er merkte, dass die Berichterstattung für ihn nicht weit genug ging, nicht kritisch genug war.

  • Ferat steht vor einer Wand mit Graffiti. Er setzt ein Zeichen gegen Faschismus.
  • Ferat steht auf dem Platz vor dem Berliner Abgeordnetenhaus. Er setzt sich gegen Faschismus ein.
  • Zu sehen ist das Berliner Abgeordnetenhaus von Innen. Weit hinten steht Ferat und hebt beide Arme. Ferat kämpft gegen den Faschismus
  • Auf dem Foto sieht man Ferat von der Seite, wie er im Auto am Steuer sitzt.
  • Auf dem Foto sieht man das Berliner Abgeordnetenhaus von innen. Ferat sitzt auf dem Boden und lehtn an einer Säule.
  • Auf dem Foto sieht man Ferat, wie er an einem Innenfenster im Berliner Abgeordnetenhaus lehnt. Seine Augen sind geschlossen.
  • Auf dem Foto sieht man eine Demo. Ferat steht mittdem im Getümmel schwarz gekleideter Demonstrant:innen.

© Sebastian Stöhr

2. Verschiedene Kämpfe zusammendenken

Als “Der Neuköllner” will Ferat u.a. junge Menschen, die von Rassismus betroffen sind online erreichen. Sie können sich mit ihrem Kiez identifizieren, deshalb auch mit dem Profil von @der_neukoellner. Seitdem sind auch die Anfeindungen gestiegen. Hass auf Social Media, aber auch nächtliche Anrufe auf seiner privaten Nummer. Beleidigungen und Drohmails gehören jetzt zu Ferats Alltag.

Sicherheit geht vor

Jetzt muss Ferat einiges tun, um sich sicher zu fühlen. Wenn ein Auto an dem Aktivisten vorbeifährt schaut er sofort wer darin sitzt. Wenn er Leute bemerkt, die ihn beobachten dann geht er auf sie zu. Er macht Fotos von Kennzeichen, wenn ihm etwas gefährlich vorkommt. Dieses starke Sicherheitsbewusstsein sei belastend, so der Aktivist. Es kann immer etwas passieren.

“Ich kann erst seit kurzer Zeit wieder gut schlafen, weil dieser Anschlag immer wieder real war, wenn ich nachts im Bett lag.”

Menschen, die von Rassismus betroffen sind, wird leider erst dann zugehört, wenn bspw. rassistische Anschläge passieren. Ferat nutzt diese Momente seit 2018 nicht nur, um darauf aufmerksam zu machen was ihm passiert ist, sondern auch was in der Welt, in Berlin und in Neukölln passiert. Mithilfe seiner über die Jahre gewachsenen Popularität schafft er es auch den Geschichten anderer von diskriminierung betroffener Menschen zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen.

“Darin sehe ich auch meine Aufgabe, diesen Raum, der mir zur Verfügung steht, dafür zu nutzen auf mehr aufmerksam zu machen, als das was mir passiert ist.”

Kein Platz für Faschismus, kein Platz für Antisemitismus und kein Platz für Nazis.

Im Koalitionsvertrag der neuen Berliner Regierung ist ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu möglichen rechten Verbindungen der Berliner Polizei festgelegt. Ferat wird in diesem Ausschuss sitzen. An dieser Stelle zitiert er die Holocaustüberlebende Esther Bejarano: “Wer gegen Nazis kämpft, kann sich auf den Staat nicht verlassen.” Für ihn bedeutet das sich nicht alleine auf den Untersuchungsausschuss zu verlassen. Er sieht die Verantwortung weiterhin in der Organisierung von der Straße aus und bei antifaschistischen Journalist:innen, die den Ausschuss kritisch begleiten. Nur so könne man rassistische Strukturen nachhaltig bekämpfen.

3. Ferat setzt auf junge Menschen

Menschen, die sich entschieden haben unpolitisch zu sein, seien schwer zu erreichen. Ferat setzt daher eher auf jüngere Menschen. Er sieht gerade im Hinblick auf die Klimastreiks großes Potenzial in der jüngeren Generation. Sie hätten verstanden, dass das Individuum alleine nicht ausreicht und eine Organisierung stattfinden muss. Daher müsse jetzt an Schulen Aufklärung passieren und noch mehr Bewusstsein entstehen, dass es wichtig ist sich für bestimmte Werte einzusetzen.

“Um weg zu kommen von dem kapitalistischem System brauchen wir ein gemeinschaftliches Denken, damit die Menschen zusammenkommen und gemeinschaftlich für ein besseres Leben kämpfen und nicht der Einzelne nur darauf schaut wie er das Beste aus sich machen kann.”

Ferat sieht es als wichtig, dass Leute erreicht werden, die vielleicht nicht politisch aktiv sind, aber durch persönliche Erfahrung z.B. aufgrund von rassistischen Strukturen ein politisches Bewusstsein haben. Sie sollten da abgeholt werden, wo sie selbst merken, dass sie betroffen sind und dass es sich für sie lohnt für Veränderung zu kämpfen.

Ferat nutzt die Sozialen Medien unermüdlich für einen guten Zweck und erreicht online mittlerweile fast 30.000 Follower:innen. Er schafft es, den schmalen Grat zwischen Humor und Aufklärung zu nutzen, um Menschen zu motivieren sich für ihre Themen zu engagieren. Er zeigt, wie kapitalistisch orientierte Plattformen wie Instagram auch für politischen Aktivismus genutzt werden können.

4. Mach Dich gegen Rassismus und Faschismus stark

Wir haben 3 Projekte für Dich, bei denen Du dich jetzt online gegen Rassismus und Rechtspopulismus einsetzen kannst:

Auf dem Bild ist eine Demonstration gegen Rechtsppulismus zu sehen. Im Hintergrund sieht man den Berliner Fernsehturm. Im Mittelpunkt ein Demo-Schild mit der Aufschrift "Paradisvögel statt Reichsadler".

Motivierte und unterstützte Menschen gegen Rechtspopulismus aktiv zu werden: mit guten Argumenten und radikal höflich. Stoppe Faschismus!

Schreibe Artikel für People of Color und allen Interessierten mit dem Schwerpunkten Diversität, Anti-Rassismus, LGBTQI+, Kunst und Kultur.

Auf dem Foto ist eine junge Frau zu sehen. Sie steht auf einer Brücke und hält ein Plakat in die Luft. Auf dem Plakta steht in weißen Großbuchstaben "I CAN'T BREATHE". Die Frau demonstriert wahrscheinlich gegen Rassismus und Faschismus

Organisiere Veranstaltungen im Rahmen der jährlichen UN-Wochen gegen Rassismus und setz Dich gegen Faschismus ein.

Du bist inspiriert Dich zu engagieren?

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Illustration von zwei blauen Händen, über denen ein blaues Herz schwebt.