Wenn Ehrenamt wirkt: Ein Blick hinter die Kulissen des Familienzentrums aufatmen

Published On: 06.10.2025|Kategorien: Freiwillige finden & binden|6,3 min read|

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Eine Taubenmama brütet über der Markise des interkulturellen Familienzentrums aufatmen in Lichtenberg. An diesem Ort, der seit 7 Jahren ein zweites Wohnzimmer für Familien im Kiez ist, fühlen sich anscheinend sogar tierische Eltern wohl. Von Montag bis Freitag gibt es hier ein buntes Angebot für Kinder von 0-6 Jahren und ihre Eltern.

In dem großen Fenster zur Straße hängen viele Zettel mit Informationen: Über das offene Familiencafé, den monatlichen Pizzaabend für Alleinerziehende oder einen Ausflug in den Tierpark. Öffnet man die Tür ins Familienzentrum, wird man von Kinderlachen, Herzlichkeit und – wenn man Glück hat – auch dem Duft frischer Waffeln begrüßt. „Hier entstehen neue Freundschaften – gerade wenn für junge Eltern eine neue Lebensphase beginnt.” erzählt Franziska, die Leiterin von aufatmen.

1. Gemeinsam mehr möglich machen

Neben einem vielfältigen Programm gibt es auch einen perfekt sortierten Second-Hand-Laden im vorderen Teil des Familienzentrums. Abgegebene Kleider und Spielsachen anzunehmen, zu sichten und richtig zu verräumen ist nur eine von vielen Aufgaben, bei denen freiwillige Helfer:innen unterstützen. Franziska beschreibt die Ehrenamtlichen bei aufatmen als eine große Bereicherung. Für sie ist es besonders schön zu sehen, wie neue Ehrenamtliche ein Teil der Gemeinschaft des Familienzentrums werden.

Die aktuell ca. 10 Freiwilligen sortieren Babykleidung, basteln mit den Kindern oder schenken Kaffee an die Eltern aus. Damit entlasten sie die hauptamtlichen Sozialarbeiter:innen im Familienzentrum und bringen zusätzlich ihre eigenen Kompetenzen ein. So auch die ausgebildete Erzieherin Kateryna, die sich seit Oktober 2024 zweimal pro Woche ehrenamtlich bei aufatmen engagiert. Franziska schwärmt:

Es sind hochqualifizierte Personen, die zu uns kommen. Bei Kateryna merkt man total die 15 Jahre Berufserfahrung im pädagogischen Bereich. Ihre Freude bei der Arbeit mit Kindern ist ansteckend!

Blick in die Second-Hand-Ecke des Familienzentrums

Die bunte Second-Hand-Ecke des Familienzentrums

Aushänge im Fenster des Familienzentrums

Im Familienzentrum ist immer etwas los

2. Katerynas Weg zu aufatmen

Auch Kateryna fühlt sich sichtlich wohl im Familienzentrum, das für sie auch ein Ort des Ankommens in ihrer neuen Nachbarschaft geworden ist. Als sie 2022 mit ihren zwei Söhnen aus der Ukraine nach Berlin zog, musste sie sich neu orientieren.

In ihrem Sprachkurs wurde Kateryna auf das Programm Du für Berlin von GoVolunteer aufmerksam. Das Ergebnis des persönlichen Beratungsgesprächs mit dem „Du für Berlin”-Team war ein Kennenlerntreffen mit Franziska von „aufatmen”. Wenig später startete das Ehrenamt.

In der Ukraine habe ich seit meinem 16. Lebensjahr als Freiwillige gearbeitet. Als ich wegen dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland gekommen bin, war es für mich das erste Mal, dass ich verstanden habe ”Jetzt brauche ich Hilfe”. Für mich war es total schwierig, Hilfe anzunehmen. Im Familienzentrum kann ich wieder Hilfe geben – und mache das sehr gerne! Durch die freiwillige Arbeit fühle ich, dass ich noch Kraft habe und das erweckt mich zum Leben.

Kateryna erzählt, dass sie anfangs noch Angst hatte, Deutsch zu sprechen. Inzwischen ist sie zuversichtlich, dass sie es schaffen kann. Im Austausch mit Kolleg:innen, Kindern und Eltern verbessert sie täglich ihre Deutschkenntnisse und lernt dabei immer wieder neue Menschen kennen. Das Ehrenamt gibt ihr selbst an anstrengenden Tagen Energie, berichtet Kateryna. Oft sind es gerade die kleinen Gesten, die einen großen Unterschied machen:

Das Wertvollste sind für mich die Umarmungen und das Lächeln. Als ich das erste Mal mit einer Umarmung begrüßt wurde, habe ich verstanden: Hier bin ich genau richtig.

Sobald alle ihre Zeugnisse anerkannt wurden, möchte Kateryna wieder in einer Kita als festangestellte Erzieherin arbeiten.

Kinderhände aus der Vogelperspektive, die basteln

Bei aufatmen gibt es viel Raum für Kreativität

Kateryna und Franziska vor dem Familienzentrum

Ehrenamtliche Kateryna und Leiterin Franziska vor dem Familienzentrum

3. Ehrenamtliche finden und wertschätzen

Ein so perfektes Ehrenamts-Match wie bei Kateryna und aufatmen ist nicht selbstverständlich. Ehrenamtliche zu finden, die sich langfristig und regelmäßig engagieren, ist nicht einfach. Der Mangel an Zeit, die Angst vor Verpflichtung und der Wunsch nach Flexibilität prägen die Suche nach Unterstützer:innen. 

Franziska erklärt, dass es viel Aufwand bedeutet, neue Ehrenamtliche gut einzuarbeiten. Auch deshalb ist es besonders wichtig, dass die Zusammenarbeit für beide Seiten harmoniert. An dieser Stelle setzt das Integrationsprojekt „Du für Berlin“ an.

Ich schätze am Projekt, dass die Freiwilligen mindestens drei Monate bleiben und Mentor:innen haben, die bevor bei uns angefragt wird, schon mal schauen, ob es wirklich passt und in der Nachbarschaft der Freiwilligen ist.

Um die Ehrenamtlichen über den Start ins Ehrenamt hinaus zu unterstützen, bietet „Du für Berlin” regelmäßig kostenlose Events für die Teilnehmenden an: Formate zum Deutsch üben, wie einen Buchclub oder digitale Spielevormittage, Workshops rund um Job- oder Wohnungssuche und Ausflüge ins Museum oder in die Natur Teil sind des Programms. Diese zusätzliche Begleitung ist für Franziska ein weiterer Mehrwert von „Du für Berlin”:

Was wir im Familienzentrum nicht so machen können, ist, den Ehrenamtlichen gezielt Fortbildungen anzubieten oder Ausflüge. Das finde ich schön bei Euch, dass es Workshops gibt, dass es Ausflüge gibt und dadurch eine zusätzliche Wertschätzung für die Ehrenamtlichen da ist.

4. Ehrenamt offen für alle gestalten

Um Ehrenamt für alle zugänglicher zu machen, braucht es Offenheit. Und gute Rahmenbedingungen:

Wir achten darauf, dass unsere Aufgaben niedrigschwellig sind. Im Second-Hand-Laden kann man gut einsteigen oder im Familiencafé in den Austausch kommen. Sprache ist hilfreich, aber nicht immer zwingend. Wir nutzen Einfache Sprache, Bilder für Erklärungen und übersetzen vieles mit KI-Tools. Es sollte mehr Fokus auf der Qualifikation und Motivation der Ehrenamtlichen liegen und weniger auf der Sprachbarriere.

Außerdem betont Franziska, wie wichtig es ist, nicht vorschnell über andere zu urteilen, sondern einander kennenzulernen und herauszufinden, was der jeweils anderen Person wichtig ist. Bei aufatmen sollen sich alle willkommen und respektiert fühlen. Für sie steht fest: Engagement verbindet – sei es beim Waffeln backen oder beim Basteln mit den Kindern. Das Projekt „Du für Berlin“ unterstützt dabei, solche Begegnungen zu ermöglichen.

Ich finde, dass das Ehrenamt in Berlin wertgeschätzt wird. Das ist ein schönes Gefühl. Aber ich wünsche mir, dass noch mehr gesehen wird, wie viele Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrung sich hier engagieren. Das ist so wertvoll für unsere Stadt und für uns als Gesellschaft.

5. Das Programm „Du für Berlin“

Franziska und Kateryna haben über Du für Berlin“ zueinander gefunden. Du für Berlin“ ist ein Programm von GoVolunteer e.V. und begleitet Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrung beim Start ins ehrenamtliche Engagement – kostenlos und zeitlich flexibel. 

Organisationen, in die Ehrenamtliche begleitet werden, unterstützt Du für Berlin” durch persönliche Beratung und regelmäßige Lern- und Austauschformate zu Themen wie Einfache Sprache”, Freiwilligengewinnung und -bindung” oder Unterbewusste Vorurteile”.

Ihr seid auf der Suche nach Ehrenamtlichen und habt Interesse an einer Zusammenarbeit?

Das Programm „Du für Berlin“ wird gefördert durch:

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