Jalal macht Mathematik verständlich
“Ich heiße Jalal, ich bin Mathematiklehrer aus Syrien und stamme aus Damaskus. Ich habe 2011 den Bachelor an der Damaskus Universität absolviert. Ende des Jahres 2015 bin ich alleine in Deutschland angekommen und habe anfangs eineinhalb Jahre deutsch gelernt. Zuerst hatte ich die Hoffnung, dass ich hier als offizieller Lehrer arbeiten kann. Das war ein bisschen schwierig oder kompliziert, denn die Regeln sind hier anders als die, die wir in Syrien haben. Es gibt eine Lücke und diese Lücke entsteht, wenn Schüler:innen ohne genügend Deutschunterricht, Mathe oder Physik lernen sollen. Dieses Problem habe ich durch eine dualen Unterricht auf deutsch und arabisch gelöst. Da lese ich beispielsweise die Aufgabe zuerst auf deutsch vor und übersetze danach sofort ins arabische. So war ich wie eine Art Brücke zwischen Syrien und Deutschland. “
© Sebastian Stöhr
Den Unterricht für besseres Verständnis übersetzen
“Das hier ist nicht ganz ehrenamtlich. Ich habe 2016/17 mit der ehrenamtlichen Tätigkeit angefangen – gleichzeitig mit meinem Deutschkurs. Um das Gefühl zu bekommen, aktiv zu sein und nicht immer faul zu sein, habe ich angefangen einige Mathe-Kurse ehrenamtlich für Geflüchtete zu geben. Für die Geflüchteten, die hier Schwierigkeiten haben. Denn diese haben nicht nur ein Problem auf Deutsch zu lernen wenn sie ankommen. Für sie ist es katastrophal Mathe auf Deutsch zu lernen. Alle komplizierten Fächer auf Deutsch zu haben ist trotz der Willkommensklasse schwierig, denn dort lernen sie bis zum Sprachniveau B1 oder B2. Das war nicht genug, um zum Beispiel Mathe mit Parabeln, quadratischen Gleichungen und so weiter zu verstehen. Deshalb habe ich versucht das Problem zu lösen, indem ich zuerst den ganzen Unterricht auf deren Muttersprache übersetzte, denn das war für mich erstmal das Sinnvollste.”
© Sebastian Stöhr
Lernen für Andere und für mich
“Es gibt bei uns auch noch ein Sprichwort: “Man kann nichts auswendig lernen, bis man anfängt es zu unterrichten”. Wenn man unterrichtet, kann man gleichzeitig lernen und verstehen. Auch Deutsch. Besonders dann, wenn man in Mathe komplizierte Sachen unterrichtet.”
Besondere Erlebnisse bestärken mich
“2017 hatte ich eine Schülerin, die wegen des Krieges viele Jahre verloren hat. Letztes Jahr war sie in der Schule in der 9. Klasse. Sie war sehr klug und motiviert aber leider schwach im Lernen. Damals hat sie oft geweint und mir gesagt, sie sei hoffnungslos. Sie war wirklich bemerkenswert intelligent. Aber sie hat hier keine Chance bekommen. Alle Lehrer:innen haben ihr gesagt, dass sie es nicht schaffen könne, Mathe zu lernen. Das war eine Herausforderung für mich und sie hatte viele Kurse bei mir. Am Ende des Jahres hatte sie dann in der MSA Prüfung eine 1+ in Mathe und Englisch. Ich habe auch eine Statistik zum Erfolg meiner Schüler:innen gemacht. 2016 zum Beispiel lag die Gesamtzahl der Teilnehmer:innen bei 34. Davon haben 33 bestanden, was einer Erfolgsquote von 97,6% entspricht. 2020 liegt die gesamte Zahl der MSA Teilnehmer:innen bei 160. Hier haben 159 bestanden, was einer Erfolgsquote von 99% entspricht. 112 von den Schüler:innen, also 70%, haben eine 1 in Mathe geschrieben.”
© Sebastian Stöhr
Ich muss aktiv werden, wenn andere meine Hilfe brauchen
“Wenn man die Ergebnisse am Ende hat. Wenn man meine Statistik abliest. Die Schüler:innen kommen am Samstag oder Sonntag um 7:30 zu mir. Es ist ein besonderes Gefühl. Denn die Schüler:innen kommen am Wochenende zu mir, um Mathe zu lernen – Auch wenn sie null gezwungen sind. Aber sie verstehen es in den Schulen einfach nicht und brauchen meine Erfahrung. Wenn ich das Gefühl habe, jemand braucht meine Erfahrung, meine Informationen über Mathematik, dann kann ich nicht wie ein Stein bleiben. Ich muss aktiv werden.”
Ich wünsche mir eine langfristige Lösung
“Meine Hoffnung nach diesem Erfolg war eine feste Stelle zu bekommen. Ich brauche nur eine Chance, um mein Können zu zeigen. Leider können Lehrer:innen in Deutschland nur eingestellt werden, wenn sie zwei Fächer unterrichten. Ich habe mit anderen Leher:innen eine Nachhilfe-Schule gegründet mit der wir selbstständig sind, um den gegenwärtigen Mangel auszugleichen. Allerdings sind die Kosten sehr hoch, weshalb der Unterricht nicht kostenlos sein kann. Diese Schule ist momentan eine kurzfristige Lösung, ich wünsche mir aber eine langfristige.“
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